5. Dezember 2022 / Aus aller Welt

Massensterben am Kaspischen Meer: 2500 Robben verendet

Wegen Verschmutzung, Überfischung und Wilderei sterben jedes Jahr viele Robben am Kaspischen Meer. Dieses Jahr ist das Massensterben besonders schlimm. Naturschützer widersprechen den offiziellen Darstellungen.

Mitarbeiter der Umweltstaatsanwaltschaft haben am Strand des Kaspischen Meers tote Robben gefunden.
von Ulf Mauder, dpa

Nach dem Fund von rund 2500 toten Robben am Kaspischen Meer in der russischen Teilrepublik Dagestan ist die Ursache für das größte Massensterben seit zehn Jahren weiter unklar. Wissenschaftler würden die Kadaver der geschützten Tiere im Nordkaukasus derzeit obduzieren, sagte die Leiterin der russischen Naturschutzbehörde Rosprirodnadsor, Swetlana Radionowa, im Moskauer Fernsehkanal Rossija-24. Es gebe Hinweise darauf, dass die Tiere an Sauerstoffmangel verendet seien.

Laut der Beamtin könnte austretendes Gas zu der Katastrophe geführt haben. Die Tiere könnten also erstickt sein. Die Untersuchungen zum Tod der geschützten Tiere dauerten an. Es gebe keine Anzeichen äußerer Gewaltanwendung, sagte Radionowa. Naturschützer hingegen halten es für unwahrscheinlich, dass so viele Tiere auf einmal durch Sauerstoffmangel sterben.

Experte vermutet andere Ursache

Der russische Experte Vitalij Kovalev, der beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) das Kaukasusprogramm leitet und direkten Kontakt zu Umweltschützern am Kaspischen Meer hält, meinte, dass eher eine Seuche als Ursache für den massenhaften Tod vermutet werde. «Es ist klar, dass die Tiere nicht alle gleichzeitig gestorben sind», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Wegen stürmischen Wetters sei die Ursachensuche auf hoher See nicht einfach. Es sei auch wahrscheinlich, dass noch mehr Tiere gefunden würden. «Ein Gasaustritt kann rein theoretisch ein Grund sein, aber nicht so großflächig, wie wir das jetzt sehen. Die Quelle müsste riesig sein.»

Die Kadaver würden an verschiedenen Stellen der Küste gefunden, sagte Kovalev. Es könne sich um ein Virus handeln. Um das nachzuweisen, müssten Gewebeproben genommen werden. Der Experte sagte, dass die These von natürlichen Ursachen von den russischen Behörden – wie jetzt mit dem Sauerstoffmangel – immer wieder vorgebracht würden. Unabhängige Wissenschaftler zweifelten aber daran.

Die Kaspische Robbe gehört zu den vom Aussterben bedrohten Arten und steht unter besonderem Schutz. Ihr Bestand ist in den vergangenen 100 Jahren laut Tierschützern um rund 90 Prozent zurückgegangen, wie Kovalev für den Nabu ermittelt hat. Gründe für das Sterben seien auch die Verschmutzung des Kaspischen Meeres, wo etwa Öl und Gas gefördert wird. Die Tiere sterben nach Angaben von Experten durch Öllecks, Wilderei und Überfischung.

Größtes Sterben des vergangenen Jahrzehnts

«Das ist das größte Massensterben der Kaspischen Robbe der vergangenen zehn Jahre. Die Gründe werden ermittelt nach der Durchführung der Laboruntersuchungen des pathologischen Materials der toten Tiere», teilte das dagestanische Naturschutzministerium in der Hauptstadt Machatschkala am Sonntag mit.

An dem größten Salzsee der Erde werden jedes Jahr viele Kadaver verendeter Robben gefunden. Im Rückblick der vergangenen Jahre ist aber die Rede von Hunderten und nicht - wie jetzt - von Tausenden toten Exemplaren. Auch regierungsnahe Umweltexperten forderten eine Aufklärung des Massensterbens. Behörden hatten die Zahl der gefundenen Kadaver am Wochenende mehrfach nach oben korrigiert. Sie schlossen nicht aus, dass sie sich noch deutlich erhöht.

Nach Angaben des Nabu wurde die Kaspische Robbe 2008 in die Rote Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) aufgenommen und ist aktuell in der Kategorie «stark gefährdet» eingestuft. Zur tatsächlichen Population gibt es keine verlässlichen Daten. Unabhängigen Schätzungen nach gibt es 68.000 von ursprünglich über einer Million Tiere auf der gesamten Fläche des Kaspischen Meeres. Dagegen sprechen die russischen Behörden von Hunderttausenden verbliebenen Exemplaren. Sie teilten mit, dass der Tod von Tausenden Tieren wie jetzt da nicht weiter ins Gewicht falle.


Picture credit: © Uncredited/RU-RTR Russian Television/AP/dpa
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