7. Februar 2023 / Aus aller Welt

«Das Böse getroffen» - Londoner Polizist als Vergewaltiger

Vergewaltigt, missbraucht, gedemütigt: Fast 20 Jahre lang soll sich ein Polizist an Frauen vergangen haben. Der Fall legt den skandalösen Zustand der Londoner Polizei offen - mal wieder.

Demonstrantinnen von Women Against Rape & Women of Colour Global Woman's Strike versammeln sich vor dem Southwark Crown Court in London.
von Benedikt von Imhoff, dpa

Einige Frauen sperrte er nackt in ein winziges Kabuff, auf manche urinierte er - und immer wieder vergewaltigte er seine Opfer. Für diese Taten, die er vor Gericht eingeräumt hat, ist ein Londoner Polizist am Dienstag zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Mindestens 30 Jahre muss er hinter Gittern verbringen, wie Richterin Parmjit Kaur Cheema-Grubb in der britischen Hauptstadt entschied. Reglos nahm der Mann das Urteil auf.

Die Misshandelten sind schwer traumatisiert, doch im Prozess wollten sie sich Gehör verschaffen. «In dieser Nacht spürte ich, dass ich das Böse getroffen habe», beschrieb eine der Frauen ihre Furcht in einem Statement. Eine andere fühlte sich als «Stück Dreck auf seinem Schuh». Immer wieder schaltet die BBC während der live übertragenen Strafmaßverkündung den Ton ab - die geschilderten Details seien einfach zu drastisch, erklärte der Sender.

Die Richterin nannte den Polizisten «ein Monster». Wegen Vergewaltigungen, sexuellen Übergriffen und Freiheitsberaubung in 49 Fällen war er angeklagt, mehr als 80 Einzeltaten gegen 12 Frauen hat er gestanden. Die Ermittler schließen aber nicht aus, dass es noch mehr Opfer gibt. Zwar streckt sich der Tatzeitraum über 17 Jahre - von 2003 bis 2020. Es gibt aber eine Lücke von mehreren Jahren, in denen keine Anzeigen vorliegen.

Mit eigenem Status gebrüstet

Die Opfer werden meist als verletzliche Frauen geschildert, einige jünger, andere deutlich älter. Der heute 48 Jahre alte Mann soll sie manipuliert, eingeschüchtert und unter Druck gesetzt haben. Dabei half ihm auch sein Status als Polizeibeamter mit Dienstausweis und - später - Waffe, wie es mehrere Frauen schilderten, und so sah es auch die Anklage. Er brüstete sich damit, dass er unter anderem mit dem Schutz des britischen Parlaments beauftragt war.

«Er war Polizist, wie konnte man ihm misstrauen?», ließ eine der Frauen ausrichten. Eine andere berichtete, sie sei nach der Vergewaltigung ins Krankenhaus gegangen. Als sie dort erzählte, wer ihr Peiniger ist, habe eine Pflegerin nur abgewinkt. «Die Justiz schützt ihre eigenen Leute», habe sie gesagt. Auch die Richterin betonte diesen Punkt: «Sie waren dreist und zuzeiten unbarmherzig und vertrauten, dass keines Ihrer Opfer Scham und Angst überwinden würde, Sie anzuzeigen», sagte Cheema-Grubb.

Doch damit soll nun endlich Schluss sein. Der Fall ist bereits der zweite innerhalb kurzer Zeit, bei der ein Londoner Polizist seinen Status für schwerste kriminelle Verbrechen genutzt haben soll. Die Dimension erinnert an den Mord an Sarah Everard - ein Beamter mit ähnlichen Zuständigkeiten hatte die 33-Jährige im März 2021 mithilfe seines Dienstausweises auf offener Straße in London verschleppt. Er vergewaltigte und ermordete die junge Frau. Dafür wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.

Nun Suche nach «schwarzen Schafen»

Nun hat das Innenministerium den Polizeien im Land aufgetragen, in den eigenen Reihen nach «schwarzen Schafen» zu suchen. Es gebe «zu viele Beispiele von Frauenfeindlichkeit und Sexismus», kritisierte der Abgeordnete Nick Smith von der Oppositionspartei Labour.

Allein in der Londoner Metropolitan Police (MET) werden nach Angaben des neuen Polizeichefs Mark Rowley Missbrauchsvorwürfe gegen etwa 800 Beamte und Beschäftigte untersucht. Zahlreiche Met-Mitglieder seien «not fit for office» sind. Sprich: kriminell und korrupt. Mit zwei bis drei Gerichtsverfahren gegen Mitarbeiter rechnet Rowley - pro Woche.

London ist beileibe kein Einzelfall. Derzeit steht in Edinburgh ein Polizist vor Gericht, der eine Frau vergewaltigt und eine Treppe hinabgestoßen sowie eine 13-Jährige vergewaltigt haben soll. Er weist die Vorwürfe zurück.

Das Verhältnis zur Bevölkerung ist erschüttert, wie auch Innenministerin Suella Braverman eingestand. Nach dem Urteil twitterte sie, die Taten hätten eine Narbe auf dem Ansehen der Polizei hinterlassen. Elf der zwölf Opfer des 48-Jährigen hatten ausgesagt, kein Vertrauen mehr in die Polizei zu haben. Kommentatoren rufen dazu auf, die Einstellungsprozesse genau zu überprüfen - zumal derzeit die konservative Regierung Tausende Beamte sucht.

Auch andere Dienste sind betroffen. So ergab ein Untersuchungsbericht, dass Frauenfeindlichkeit, Sexismus und Rassismus bei der Londoner Feuerwehr an der Tagesordnung seien. Dem Sender ITV sagte eine Feuerwehrfrau, dass männliche Kollegen privat Fotos von Unfalltoten gemacht und sich über die Unterwäsche weiblicher Todesopfer ausgetauscht haben sollen.


Bildnachweis: © Yui Mok/PA Wire/dpa
Copyright 2023, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Meistgelesene Artikel

Schöffinnen und Schöffen gesucht
Allgemeines

Wer möchte sich vom 01.01.2024 bis zum 31.12.2028 für das Schöffenamt engagieren?

weiterlesen...
Förderanträge für Klimaschutz und Klimaanpassung können ab heute wieder gestellt werden
Aktuelle Nachrichten

Insgesamt 90.000 Euro stehen bereit für Maßnahmen und klimafreundliche Investitionen

weiterlesen...
Jupiter und Venus in enger Eintracht am Himmel
Aus aller Welt

«Alle zwei Jahre gut zu sehen»: Auf ihrer unterschiedlich schnellen Umlaufbahn um die Sonne im Zentrum sind sie sich dieser Tage Jupiter und Venus näher gekommen.

weiterlesen...

Neueste Artikel

Sorge vor einem Überspringen der Vogelgrippe auf Menschen
Aus aller Welt

Die weltweite Vogelgrippe-Welle hat auch unter Säugetieren viele Opfer gefordert. Die WHO will über das Risiko für den Menschen informieren. Nicht nur der Umweg über andere Säugetiere birgt Gefahr.

weiterlesen...
Schüler trauern um Lehrerin nach Messerattacke in Brasilien
Aus aller Welt

An einer Schule in São Paulo stirbt eine Lehrerin nach einer Messerattacke. Ein 13-jähriger Schüler wird als Verdächtiger festgenommen. Die Trauer ist groß.

weiterlesen...

Weitere Artikel derselben Kategorie

Sorge vor einem Überspringen der Vogelgrippe auf Menschen
Aus aller Welt

Die weltweite Vogelgrippe-Welle hat auch unter Säugetieren viele Opfer gefordert. Die WHO will über das Risiko für den Menschen informieren. Nicht nur der Umweg über andere Säugetiere birgt Gefahr.

weiterlesen...
Schüler trauern um Lehrerin nach Messerattacke in Brasilien
Aus aller Welt

An einer Schule in São Paulo stirbt eine Lehrerin nach einer Messerattacke. Ein 13-jähriger Schüler wird als Verdächtiger festgenommen. Die Trauer ist groß.

weiterlesen...