Ein Schuss hallt durch das australische Outback, dann fällt ein Känguru zu Boden. Ein Mann zieht das Beuteltier zu seinem Pick-up und hängt es kopfüber an die Seite der Ladefläche. Doch es zappelt noch mit den Gliedmaßen - es ist nicht tot. Der Jäger zückt ein Messer und schneidet dem Känguru die Kehle durch. Dann fährt er los, während das Tier langsam verblutet. Es sind verstörende Szenen eines Videos, das Tieraktivisten zugespielt und von dem australischen Sender ABC veröffentlicht wurde. Was hier gezeigt wird, ist kein Einzelfall: Immer wieder werden Kängurus in Australien auf grausame Weise getötet - und das, obwohl sie das Nationaltier sind. Tierschützer kämpfen gegen die Praxis. Das Leder der ikonischen Beuteltiere wird weltweit für die Produktion von Mode-Accessoires und Sportschuhen verwendet. Es gilt als leichter und gleichzeitig widerstandsfähiger als andere Tierhäute. Deutschland ist einer der großen Importeure von «K-Leather» und Kängurufleisch. Doch mittlerweile wächst die Zahl der Firmen, die das Material wegen der brutalen Tötung der Tiere boykottieren. «Die Verwendung von Känguruleder war seit Jahren auf einige wenige Produkte begrenzt, etwa auf den "Puma King Fußballschuh"», sagte Stefan Seidel, Senior Head of Corporate Sustainability beim deutschen Sporthersteller Puma, der Deutschen Presse-Agentur. Noch in diesem Jahr will das Unternehmen aus dem mittelfränkischen Herzogenaurach die Produktion umstellen und fortan seine Fußballschuhe aus synthetischem veganen Leder anfertigen. Auch US-Riese Nike hat angekündigt, auf Känguruleder zu verzichten: «Nike hat sich 2021 von seinem einzigen Känguruleder-Lieferanten getrennt und wird 2023 die Herstellung aller Produkte aus Känguruleder einstellen», hieß es im März in einer Mitteilung. In den USA wird zudem ein Importverbot von Känguruprodukten diskutiert. Ähnliches wollen Tierschützer auch in der EU anregen. Nach Angaben von Pro Wildlife haben einige Lebensmittel-Einzelhandelsketten sowie manche Tierfutter-Händler in Deutschland und anderen EU-Ländern den Verkauf von Kängurufleisch bereits eingestellt. «Fast die Hälfte der von kommerziellen Jägern erschossenen Kängurus wird in den Nacken oder an einer anderen Stelle getroffen, was zu einem langsamen, schmerzhaften Tod führt», sagte Mimi Bekhechi, Kampagnenberaterin bei der Tierschutzorganisation Peta. Doch in Australien darf jeder, der eine Lizenz besitzt, Kängurus abschießen. Die Jäger werden in der Regel pro Kilogramm bezahlt. Aus den Kadavern wird Fleisch und Leder hergestellt, das Down Under in rund 70 Länder exportiert. Nach Angaben der Kangaroo Industry Association of Australia (KIAA) bringt dieser Wirtschaftszweig jedes Jahr stolze 200 Millionen australische Dollar (etwa 121 Millionen Euro) ein. Nicht nur finanzielle Motive stecken hinter der Massenjagd: In der Nähe von landwirtschaftlichen Betrieben richten Kängurus oft Unordnung an oder fressen die Ernte. So dürfen auch Landbesitzer die Tiere töten, sofern sie zuvor eine Erlaubnis beantragt haben. Das grausame Töten, wie es in dem verstörenden Video zu sehen ist, ist allerdings untersagt. In einem «Nationalen Verhaltenskodex» wird festgehalten, dass Schützen die Tiere direkt in den Kopf treffen müssen. «Ein genau platzierter Kopfschuss führt zu sofortiger Bewusstlosigkeit und einem schnellen Tod», heißt es in dem Dokument. Der Haken: Kontrollen gibt es nicht. Nicht nur die fragliche Treffsicherheit ist ein Kritikpunkt. Der Umgang mit den Jungtieren - «Joeys» genannt - ist ein weiterer. «Nach der Tötung einer Känguru-Mutter werden die Jungen, die sich noch in ihrem Beutel befinden, mit einem Schlag auf den Kopf getötet», sagte Peta-Expertin Bekhechi. «Dabei werden die Tiere oft auf den Boden geschlagen.» Trotz lauter Kritik wird die Jagd auf diese Beuteltiere nicht nur von der Regierung erlaubt, sondern sogar gezielt von ihr vorangetrieben. In der Hauptstadt Canberra wurden erst im Juni und Juli 1042 Kängurus als Teil eines jährlichen Keulungsprogramms getötet. Laut Lokalregierung sollte so verhindert werden, dass die Tiere die bedrohten Graslandschaften in der Umgebung zu sehr in Anspruch nehmen. Diese seien wiederum für andere Tiere und Pflanzen überlebensnotwendig. Mit diesen systematischen Tötungen sollen die Populationen kontrolliert werden - denn viele betrachten die Tiere als Plage. Wie viele Kängurus genau durch Australien hüpfen, ist nicht ganz klar, aber Schätzungen zufolge könnten es bis zu 50 Millionen sein - davon laut Regierung 36,5 Millionen in den fünf Bundesstaaten, wo die Jagd auf sie erlaubt ist. Die jährliche Abschussquote ist dabei je nach Region unterschiedlich, liegt aber meist zwischen 10 und 17 Prozent. Für das Jahr 2022 wurde eine landesweite Zielquote von 4,4 Millionen Kängurus errechnet, tatsächlich erschossen wurden 1,2 Millionen. Während die Kritik von Tierschützern lange keine konkreten Auswirkungen auf die Jagd hatte, ist der Boykott des Leders von Sport- und Modelabels bereits spürbar. Betriebe, die Känguruprodukte verarbeiten, fürchten um ihren Lebensunterhalt. Kängurujäger Garry Trindall meint, dass Nike und Puma mit ihrem Schritt sogar das Gegenteil bewirken. «Wenn die Preise pro Kadaver runtergehen, weil die Nachfrage nach dem Leder sinkt, dann müssen eben mehr Kängurus getötet werden, um das gleiche Einkommen zu erzielen», sagte Trindall der ABC. Australiens wohl berühmtestes Tier, das sogar auf dem Wappen des Landes und dem Logo der nationalen Airline Qantas prangt, könnte bald sogar noch stärker gejagt werden. Denn australische Ökologen warnen, dass die Kängurus sich wegen guter Wetterbedingungen in den letzten Jahren enorm vermehrt haben. Sollte der bevorstehende Sommer wie erwartet eine lange Trockenperiode mit sich bringen, könnten viele der Tiere wegen Nahrungsmangel verhungern. Um dies zu verhindern, sollen sie stattdessen in großer Zahl abgeschossen werden.Deutschland ist großer Importeur
Puma und Nike wollen verzichten
Känguruprodukte sind großer Wirtschaftszweig
Keine Kontrollen
Bewirkt der Verzicht der Sportmarken das Gegenteil?
Bildnachweis: © Mark Graham/AP/dpa
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Das Geschäft mit dem Känguruleder
Nike und Puma haben sich nach Kritik von Tierschützern entschlossen, auf Känguruleder zu verzichten. Aber Deutschland gehört weiter zu den großen Absatzmärkten.
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