22. November 2022 / Aus aller Welt

Lebenslang für mutmaßlichen Polizistenmörder gefordert

Im Polizistenmord-Prozess fordern Staatsanwaltschaft und Nebenkläger lebenslang für den Hauptangeklagten. Die Verteidigung spricht von «maximal Körperverletzung mit Todesfolge».

Der Hauptangeklagte (m.) im Verhandlungssaal des Landgerichts in Kaiserslautern.
von Birgit Reichert, dpa

Im Prozess um die zwei bei Kusel getöteten Polizisten hat die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Freiheitsstrafe für den Hauptangeklagten gefordert. Der Mann habe sich des zweifachen Mordes schuldig gemacht, sagte Oberstaatsanwalt Stefan Orthen am Dienstag in seinem Plädoyer vor dem Landgericht Kaiserslautern. Bei der Tat seien mehrere Mordmerkmale erfüllt und die Tat habe «Hinrichtungscharakter» gehabt - daher liege eine besondere Schwere der Schuld vor, sagte Orthen.

Rund fünf Monate nach Prozessbeginn haben sich für den Oberstaatsanwalt die Vorwürfe der Anklage bestätigt: Der 39-Jährige habe Ende Januar eine junge Polizistin (24) und ihren Kollegen (29) bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle an einer Kreisstraße in der Westpfalz mit Schüssen «aus nächster Nähe» in den Kopf getötet. Die Gewalttat sorgte bundesweit für Entsetzen.

Sollte Jagdwilderei vertuscht werden?

Die Tat sei «aus nichtigem Anlass» verübt worden: «Die Tötung der Polizisten diente der Verdeckung der gewerbsmäßigen Jagdwilderei», sagte Orthen. Zudem sei das Mordmerkmal der Habgier erfüllt: «Ohne die Tat hätte er das erlegte Wild nicht mehr gewinnbringend verkaufen können», sagte der Oberstaatsanwalt. Im Kastenwagen, mit dem sie am Tatort unterwegs waren, sollen 22 geschossene Rehe und Hirsche gelegen haben.

Der Nebenangeklagte habe sich laut Orthen wie auch der Hauptangeklagte der gewerbsmäßigen Jagdwilderei schuldig gemacht. Von einer Strafe sei aber abzusehen, weil der 33-Jährige wesentlich zur Aufklärung beigetragen habe, sagte Orthen. «Hier kommt die Kronzeugenregelung zur Anwendung.» Der zuvor gegen den 33-Jährigen erhobene Vorwurf der versuchten Strafvereitelung war fallen gelassen worden.

Aus Notwehr geschossen?

«Ich bin zu Unrecht des Mordes angeklagt», sagte der Hauptangeklagte in seinem sogenannten letzten Wort. «Ich bringe doch nicht zwei Menschen um», um einer möglichen Verurteilung wegen Jagdwilderei zu entgehen. Er wiederholte erneut seine Aussage, dass er den Polizisten aus Notwehr erschossen habe. Die Polizistin aber habe der nebenangeklagte 33-Jährige erschossen, was dieser bestritt.

«Wir haben hier zwei verschiedene Versionen, die nicht widerlegt werden konnten», sagte der zweite Verteidiger des Hauptangeklagten, Leonhard Kaiser. Aus Sicht der Verteidigung sei es «kein Mord, maximal Körperverletzung mit Todesfolge». Die Verteidigung forderte «ein gerechtes Urteil», ohne eine konkrete Forderung zu formulieren. «Wir wissen einfach nach wie vor viele Sachen nicht.»

Der Hauptangeklagte sagte, der Prozess habe «keine objektiven Beweise» im Sinne der Anklage gebracht, was den Mordvorwurf angehe. Er gehe davon aus, dass die Kammer sich bei ihrem Urteil nicht über den Grundsatz «in dubio pro reo» (Im Zweifel für den Angeklagten) hinwegsetze. Die Männer waren kurz nach der Tat im angrenzenden Saarland festgenommen worden. Nach psychiatrischen Gutachten sind beide voll schuldfähig.

Vorwurf der Vorverurteilung

Verteidiger Lars Nozar kritisierte, dass sein Mandant schon früh vorverurteilt worden sei - von den Medien und von der Staatsanwaltschaft. Man habe die Aussagen des Nebenangeklagten als Grundlage für den ganzen Prozess genommen und die Beweisaufnahme habe «die Richtung» nicht geändert.

Die Vertreter der Nebenklage, die die Familien der getöteten Polizisten vertreten, sprachen sich auch für eine lebenslange Haft für den Hauptangeklagten und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld aus. Ihrer Ansicht nach seien bei der Tat auch die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe erfüllt.

Der Anwalt der Familie des getöteten Polizisten, Guido Britz, betonte in seinem Schlussvortrag, dass die Tat unermessliches Leid für die Angehörigen gebracht habe. «Es war ein Abnallen von Beamten wie Tiere, er hat es nicht anders gemacht, wie er es vorher mit den Tieren gemacht hat», sagte Britz. Der Hauptangeklagte gilt als extrem guter Schütze, der Wildtiere meist per Kopfschuss erlegte.

Britz sagte, es sei «schmerzlich für die Angehörigen», dass es bisher an «jeglicher Erklärung, Entschuldigung oder Empathie» bei den Angeklagten fehle. In seinem letzten Wort richtete sich der 39-Jährige dann an die Familien: «Ich bitte aufrichtig um Entschuldigung», sagte er.

Sollte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgen und wegen Mordes lebenslange Haft verhängen plus die besondere Schwere der Schuld feststellen, wäre eine Haftentlassung des 39-Jährigen nach 15 Jahren ausgeschlossen, sagte der Trierer Professor für Strafrecht, Till Zimmermann. Die Verbüßungsdauer liege in solchen Fällen im Schnitt bei mehr als 20 Jahren. Das Urteil soll am 30. November fallen.


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