28. Juni 2023 / Aus aller Welt

Ecstasy-Tod jenseits der Großstadt - «Tausend Fragezeichen»

Eine besonders starke chemische Droge treibt im Nordosten Deutschlands ihr Unheil. Das sorgt fernab der Großstadt für Bestürzung und viele Fragezeichen.

Der Drogentod einer 13-Jährigen aus Altentreptow in Mecklenburg-Vorpommern sorgt für viele Fragezeichen und Angst vor weiteren Fällen.
von Christopher Hirsch, dpa

Ecstasy gilt eigentlich als Partydroge, die in den Clubs der Großstädte zu finden ist. Doch seit dieser Woche sorgt der Drogentod einer 13-Jährigen aus der Kleinstadt Altentreptow in Mecklenburg-Vorpommern für viele Fragezeichen. Zwei weitere Teenager aus der Region liegen nach dem Konsum der als besonders stark geltenden Ecstasy-Variante «Blue Punisher» auf der Intensivstation. Auch beim Tod einer 15-Jährigen im benachbarten Brandenburg vermuten Ermittler eine Überdosis chemischer Drogen als Grund.

«Die jüngsten Fälle müssen uns (...) dazu anhalten, jetzt mehr Kraft und Geld in den Ausbau der Prävention an Schulen zu investieren», forderte der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD). «Es rettet Leben, wenn Kinder und Jugendliche ganz früh bereits wissen, dass die kleinen knallbunten Pillen höchst gefährlich und sogar tödlich enden können. Und dass sie auch wissen, dass die Pillen auch zu einem tödlichen Höllentrip werden können, selbst wenn sie die Pille von einem netten Kumpel auf dem Schulhof geschenkt bekommen.»

Besonders tückisch

Dabei scheinen zuletzt besonders tückische Drogen im Umlauf gewesen sein. Die Pillen der Variante «Blue Punisher» (deutsch: blauer Bestrafer) sind zumeist blau und mit einem Totenkopf versehen, der an den Marvel-Charakter «The Punisher» erinnert - einem Comic-Helden. Zwar handelt es sich laut Bundeskriminalamt nicht um eine separate Droge. Tabletten mit dem gleichen Logo könnten aus unterschiedlichen Quellen stammen und völlig unterschiedliche Zusammensetzungen und Wirkungen haben. Allerdings enthalten die «Blue-Punisher»-Pillen typischerweise besonders viel Wirkstoff. Zu einer Überdosis kann es laut Experten auch schon bei der Einnahme von weniger als einer Pille kommen.

Angesichts des angelaufenen Techno- und Kultur-Festivals Fusion an der Mecklenburgischen Seenplatte appellierte Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Generalsekretär Daniel Peters an die zuständigen Behörden, sich schnellstens bewusst zu machen, «dass sich hier eine Katastrophe größeren Ausmaßes anbahnen könnte». Zu dem Musik- und Theaterfestival in Lärz werden bis Sonntag bis zu 70.000 meist jugendliche Gäste erwartet.

Wieso schaffen Menschen so hochdosierte Drogen wie «Blue Punisher» und wieso geben Menschen diese an unerfahrene Kinder und Jugendliche ab? «Für mich sind das tausend Fragezeichen und jedes Mal stehen mir die Haare zu Berge», sagte eine Polizeisprecherin aus Mecklenburg-Vorpommern. Die dortige Polizei vermutet gar, dass zuletzt eine noch stärkere Variante von «Blue Punisher» zirkulierte. Das müssten aber weitere Untersuchungen zeigen. Eventuell handele es sich um eine bestimmte Charge, die aus dem europäischen Ausland eingeführt worden sei.

Umfangreiche Ermittlungen

Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Bei Drogendelikten handele es sich immer um umfangreiche Ermittlungen, sagte die Polizeisprecherin. «Wo kommt es her? Wo geht es hin? Ein Dealer teilt ja nicht nur an einen aus, sondern an mehrere.» Bereits am Montagabend hatte die Polizei vier Tatverdächtige festgenommen - einen 37-Jährigen, einen 16-Jährigen und zwei 17-Jährige. Gegen den 37-Jährigen ist Haftbefehl erlassen worden. Die übrigen Tatverdächtigen sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß, sollen aber in Zusammenhang mit dem Fall der 13-Jährigen aus Altentreptow stehen.

Wegen des Todes des 15-jährigen Mädchens im brandenburgischen Rathenow ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Jugendlichen. Es gebe den Anfangsverdacht, dass der minderjährige Beschuldigte der Jugendlichen Betäubungsmittel verschafft und so leichtfertig ihren Tod verursacht habe, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Potsdam. Um welche Art von Drogen es sich handele, sagte die Sprecherin nicht. Es werde geprüft, ob die in Frage stehenden Betäubungsmittel zumindest «mitursächlich» für den Tod des Mädchens waren.

Laut der Polizei in MV besteht die Gefahr, dass die hochdosierten Drogen weiterhin im Umlauf sind. Es gebe erfahrungsgemäß ein großes Dunkelfeld, weil sich Besitzer nicht von sich aus meldeten. Nach den Warnungen der Behörden besonders vor «Blue Punisher» hatte sich in Mecklenburg-Vorpommern ein weiteres Mädchen aus Malchin gemeldet und den Konsum der Droge bestätigt. Demnach litt es zeitweise an Übelkeit und Bauchschmerzen, sei aber wieder wohlauf. Von den Glücksgefühlen, die eine Droge normalerweise verspricht, hatte das Mädchen laut Polizeisprecherin hingegen nichts gemerkt.


Bildnachweis: © Bernd Wüstneck/dpa
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