1. Januar 2025 / Aus aller Welt

Vor 50 Jahren: Volljährigkeit mit 18 in der Bundesrepublik

Am 1. Januar 1975 wurden auf einen Schlag zweieinhalb Millionen Westdeutsche volljährig. Zwischen der damaligen und der heutigen jungen Generation sehen Wissenschaftler auffällige Parallelen.

Viele junge Menschen drängten zu Beginn der 70er Jahre auf mehr Unabhängigkeit von ihren Eltern. (Archivbild)
von Christoph Driessen, dpa

Willy Brandt, der Kanzler des «Mehr Demokratie wagen», hatte es in seiner ersten Regierungserklärung 1969 schon angekündigt. «Wir werden dem Hohen Hause ein Gesetz unterbreiten, wodurch das aktive Wahlalter von 21 auf 18, das passive von 25 auf 21 herabgesetzt wird. Wir werden auch die Volljährigkeitsgrenze überprüfen», kündigte er an. 1970 wurde bereits das Wahlalter auf 18 gesenkt, und 1974 beschloss der Bundestag, das Volljährigkeitsalter auf 18 Jahre herabzusetzen. 

Dadurch wurden vor 50 Jahren - am 1. Januar 1975 - auf einen Schlag zweieinhalb Millionen Westdeutsche volljährig und gewannen alle damit verbundenen Rechte.

Die Bundesrepublik stand im Wettbewerb mit der DDR

«Das trug den Atem der Freiheitsbewegung der 60er Jahre, der Studentenbewegung», sagt der Soziologe Klaus Hurrelmann. «Es war der Wunsch damit verbunden, früher in die Selbstständigkeit zu kommen und früher wichtige Weichenstellungen für sein Leben selbst vornehmen zu können.» 

In der DDR galt bereits seit 1950 die Volljährigkeit ab 18 Jahren. Das habe die Regierung in Bonn unter Druck gesetzt, da man sich im ständigen Wettbewerb mit dem anderen System gesehen habe, sagt der Psychologe und Generationenforscher Rüdiger Maas. Ein anderer wichtiger Aspekt: «1969 hat man schon gemerkt, dass die geburtenstarken Jahrgänge durch die Pille jetzt vorbei waren, und allein um diesen soziodemografischen Wandel aufzufangen, machte es Sinn, das Wahlalter anzupassen und dem Überbau an Älteren entgegenzuwirken.» 

Minderjährig zur Bundeswehr

Zudem mussten im Westen schon 18-Jährige zur Bundeswehr einrücken oder Zivildienst leisten - «solange sie noch nicht volljährig waren, stellte das einen gewissen Rechtskonflikt dar», so Hurrelmann. Insbesondere für die CDU/CSU-Angeordneten habe dieser Aspekt eine wichtige Rolle gespielt. Im Endeffekt stimmte auch fast die gesamte Opposition für die Senkung des Volljährigkeitsalters, obwohl die Union mit den rebellischen 68ern durchaus ihre Probleme hatte. Aber man wollte es sich mit den Jungen eben auch nicht völlig verderben. 

Die damalige Jugend war politisch engagiert, es waren ja immer noch die Jahre unmittelbar nach der Studentenrebellion. «Damals hatten wir eine hohe Politisierung, starkes Interesse an Politik, großes Engagement bei der jungen Generation», schildert Hurrelmann. Wissenschaftler hätten später rekonstruiert, dass damals etwa fünf Prozent aller Studentinnen und Studenten an politischen Aktionen beteiligt gewesen seien, was außerordentlich viel sei. 

Forscher: Ökonomisch gute Zeiten erlauben politisches Engagement

«Das haben wir danach lange nicht mehr gehabt, da hatten wir sehr unpolitische junge Generationen», so Hurrelmann. «Das korreliert mit der riesigen wirtschaftlichen Delle von etwa 1980 bis 2010. Eine These ist, dass eine junge Generation dann politisch wird, wenn es ihr wirtschaftlich gut geht, aber nicht, wenn es ihr wirtschaftlich schlecht geht - denn dann hat sie anderes zu tun, als sich politisch zu engagieren.» 

Passend dazu erlebe man seit 2010 wieder eine sehr politische Generation, die Generation von Fridays For Future. «Es ist eine Generation, der es sehr gut geht - sie hat eine ungeheuer gute Chance, in Ausbildung und Beruf zu kommen. Die Krisenjahre mit der Gefahr von massenhafter Jugendarbeitslosigkeit sind vorbei.» Dabei findet es Hurrelmann faszinierend, dass es nach einer aktuellen Studie auch jetzt wieder etwa fünf Prozent sind, die sich politisch engagieren. 

Klimabewegt oder rechtsradikal

Mittlerweile sei Fridays For Future zwar weitgehend ausgelaufen, doch wie die jüngste Shell-Jugendstudie bestätigt habe, sei die junge Generation weiterhin auffallend politisch. «Das ist eine spannende Parallele, dass wir jetzt nach 50 Jahren wieder in so einer Situation sind, wo wir eine politisch engagierte und wache Generation haben», findet Hurrelmann. «Wobei zu beobachten ist, dass sich diese Generation in letzter Zeit auch spaltet - in eine klimabewegte, linke Richtung und in eine rechtsradikale Orientierung.» 

Maas sieht auch Unterschiede zwischen den jungen Generationen von damals und von heute: Die Jungen von vor 50 Jahren seien schon noch mal deutlich interessierter und auch weniger konservativ gewesen. «Sie standen in einem Spannungsverhältnis zur Eltern-Generation, die noch selbst den Krieg und den Nationalsozialismus mitgemacht hatte. Heute dagegen sind Jugend und Eltern ja sehr dicke miteinander, sie bilden geradezu einen Verbund.» So gebe in Umfragen eine Mehrheit der jungen AfD-Wähler an, auch ihre Eltern würden der Partei ihre Stimme geben. 

Absenkung des Wahlalters auf 16?

Derzeit wird die weitere Absenkung des Wahlalters auf 16 diskutiert. Maas ist dafür, allerdings nur, wenn es mit einer politischen Bildungsinitiative in den Schulen einhergehe. «Ich würde den heutigen Jungen derzeit nicht unbedingt politische Kompetenz unterstellen.» Das habe auch eine Untersuchung seines Instituts für Generationenforschung unter 16 Jahre alten Erstwählern bei der Landtagswahl in Brandenburg gezeigt: «Die konnten teilweise noch nicht einmal ihren Ministerpräsidenten benennen.»


Bildnachweis: © picture alliance / dpa
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