15. November 2022 / Aus aller Welt

Dreifachmord-Prozess: Angeklagter widerruft und schweigt

Das Landgericht Rostock muss sich mit einer ungeheuerlichen Gewalttat befassen. Ein junger Mann soll seine Eltern und seine Schwester ermordet haben. Ein abgelegtes Geständnis widerruft dieser wieder.

von Helmut Reuter, dpa

Den Verhandlungssaal 2.002 betrat der 27-Jährige in schlabbriger Jogginghose, Sweatshirt, mit Turnschuhen und in Fußfesseln. Sein Gesicht verdeckte er mit Aktendeckeln gegen die anfangs anwesenden Kameras. Die Vorwürfe gegen ihn wiegen schwer. Er soll am 7. Februar in Rövershagen bei Rostock zunächst seinen Vater, dann seine Schwester und einige Tage später seine Mutter mit Pfeilen aus einer Armbrust und Stichen einer Machete getötet haben. Die Anklage lautet auf dreifachen Mord. Zum Prozessauftakt am Landgericht Rostock widerrief der 27-Jährige alle zuvor gemachten Aussagen, womit auch sein Geständnis hinfällig wird.

Es sind vor allem die Tatabläufe, die der Staatsanwalt am Dienstag in der relativ knappen Anklageschrift schilderte, die schockieren. Seinen auf einer Couch im Wohnzimmer schlafenden Vater soll er in einem Einfamilienhaus in Rövershagen mit einer Armbrust vier Pfeile in den Hinterkopf geschossen haben. Da der 52-Jährige nicht sofort tot war, soll der Sohn aus einem Schuppen eine Gartenmachete geholt und damit auf sein Opfer eingestochen haben. Der Vater verblutete.

Unter Vorwand in den Tod gelockt

Am selben Tag lockte er laut Anklage seine Schwester in das Haus. Unter dem Vorwand, er habe eine Überraschung für sie, habe er die 25-Jährige dazu veranlasst, sich in dem von ihm mit Teichfolie und Vlies ausgelegten Flur hinzuknien und Ohrschützer und eine undurchsichtige Brille aufzusetzen. Dann soll er ihr mit der Armbrust drei Pfeile von hinten in den Kopf geschossen haben. Da auch sie nicht sofort tot gewesen sei, soll er ihr einen Stich in die Brust versetzt haben, wodurch Herz und Lunge durchstochen worden seien.

Seine zuvor abwesende 48 Jahre alte Mutter starb einige Tage später, am 11. Februar, in dem Haus auf die gleiche grausame Weise. Zur Vertuschung seiner Taten soll der Angeklagte Särge gebaut, einen Transporter und einen Bagger beschafft und die Leichen dann am 28. Februar etwa zwölf Kilometer entfernt bei Kösterbeck an einem einsam gelegenen Feldrand vergraben haben.

Gegen den gewalttätigen und alkoholkranken Vater habe der Sohn schon lange einen Groll gehegt. Kurz vor der Tat sei ihm in einem Gespräch mit dem Vater klar geworden, dass er für seinen Vater ein «Nichts» sei, sagte der Staatsanwalt. Zwar wollte sich der Angeklagte, der in der Russischen Föderation geboren wurde und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, am Dienstag nicht zur Sache äußern. Dafür verlas seine Verteidigerin Beate Falkenberg eine Erklärung, mit der sie im Namen ihres Mandaten sämtlichen von ihm zuvor gemachten Aussagen widersprach.

Nicht ordnungsgemäß belehrt

Alle Aussagen ihres Mandanten seien nicht zu verwerten, da er bei seiner Festnahme und der Vernehmung mehrfach nicht ordnungsgemäß belehrt worden sei, begründete sie den Schritt. Auch sei er nach der Festnahme nicht unverzüglich dem Haftrichter vorgeführt worden. Auch alle Beweise, Gutachten, Fotos und Zeugenaussagen dürften nicht verwendet werden, forderte Falkenberg, die zudem beantragte, den anwesenden Staatsanwalt durch einen anderen zu ersetzen.

Die Anwältin gab aber eine Teilaussage des Angeklagten wieder, die Einblicke in dessen familiäres Umfeld gab. Bei den Ermittlungen war der 27-Jährige damals zunächst als Zeuge vernommen. Den Beamten schilderte er dabei, dass er gemeinsam mit seinem Vater und seiner Schwester mit Drogen handelte. Mit seiner Schwester habe er Cannabis in Folien abgepackt in kleinen Mengen unter anderem in Schwerin und Wismar verkauft. Größere Mengen seien in Polen abgesetzt worden.

Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann am Dienstag Mord aus Heimtücke, in zwei Fällen Mord zur Verdeckung einer Straftat und in einem Fall zusätzlich Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Der Angeklagte sitzt seit Ende März in Untersuchungshaft. Im Falle eines Schuldspruchs droht dem Angeklagten eine lebenslange Haftstrafe. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.


Bildnachweis: © Bernd Wüstneck/dpa
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