In Psychiatrien geschieht es öfter: Wenn Patienten sich selbst oder andere gefährden, können sie mit Gurten am Bett fixiert werden. Doch auch in anderen Kliniken kommt das vor. In einem Pforzheimer Krankenhaus hatte das entsetzliche Folgen: Ein am Bett fixierter Patient starb am Dienstagabend nach einem Brand in der Notaufnahme. Die Ermittler untersuchen die Umstände. Generell darf ein Patient nur unter bestimmten Voraussetzungen ans Bett gefesselt werden. Nach Wissen der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) gibt es keine allgemeingültige Checkliste. «Es ist eine ärztliche Entscheidung», sagte eine Sprecherin. Und nur eine letzte und kurzfristige Maßnahme in Fällen von Selbst- oder Fremdgefährdung. Orientierung bietet das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz - PsychKHG). Der rechtliche Hintergrund ist kompliziert, weil jedes Bundesland ein eigenes Gesetz hat. In Baden-Württemberg sind nach dem PsychKHG «besondere Sicherungsmaßnahmen» unter engen Voraussetzungen zulässig. Nach §25 gilt dies «wenn und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Sicherheit in der anerkannten Einrichtung besteht, insbesondere bei erheblicher Selbstgefährdung, der Gefährdung bedeutender Rechtsgüter Dritter oder wenn die untergebrachte Person die Einrichtung ohne Erlaubnis verlassen will, und dieser Gefahr nicht mit weniger eingreifenden Mitteln begegnet werden kann». Die vom Grundgesetz geschützte Freiheit der Person (Artikel 2 und 104) ist ein hohes Gut. Für einen längeren Zeitraum darf eine Fixierung nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 nur nach einer richterlichen Entscheidung getroffen werden. Eine kürzere Sicherungsmaßnahme kann nach dem PsychKHG von einer Ärztin oder einem Arzt befristet angeordnet werden. Sie ist unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind. Die höchsten deutschen Richter forderten auch, dass ein fixierter Patient durchgehend durch pflegerisches oder therapeutisches Personal überwacht wird. Das PsychKHG erwähnt neben dem Festhalten und der Absonderung in einem besonders gesicherten Raum ausdrücklich die Fixierung. Diese gibt es in verschiedenen Stufen: An Beinen, Armen und Bauch - teils auch um die Brust und Stirn. Bei einer Sieben-Punkt-Fixierung kann der Patient nicht einmal mehr den Kopf bewegen. Dazu sind der Krankenhausgesellschaft für Allgemeinkliniken keine Zahlen bekannt. Was die Psychiatrien im Land angeht, ging das Bundesverfassungsgericht bei der mündlichen Verhandlung zur Fixierung von Psychiatrie-Patienten im Jahr 2018 allein in Baden-Württemberg von 17 600 Fällen aus. Bundesweit wurden einige Todesfälle nach Fixierungen bekannt: So starb 2019 ein 34-Jähriger Student aus Kamerun an Herzversagen, nachdem Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes ihn gewaltsam fixiert hatten. Aufsehen erregte der Tod von Oury Jalloh, der nach seiner Flucht aus Sierra Leone an Händen und Füßen gefesselt 2005 bei einem Feuer in seiner Zelle in Dessau (Sachsen-Anhalt) ums Leben kam. Jalloh war betrunken und stand unter Drogen. Ob er selber die Matratze anzündete, ist bis heute unklar. Ungeklärt ist noch immer, wie es zu dem Feuer kam, an was der Mann starb und warum er nicht in Sicherheit gebracht wurde. Untersucht werden auch die Umstände der Fixierung. «Es braucht eine gewisse Zeit, bist das alles aufgeklärt ist», sagte der Staatsanwalt. Der Karlsruher Menschenrechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah geht von einem Tötungsdelikt durch Unterlassen aus. Er hat Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Mordes gestellt. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Patient infolge des Brandes starb, weil er nicht flüchten konnte. Während einer Fixierung sei eine «Sitzwache» zwingend. «Eine solche hat es offenbar nicht gegeben oder aber sie hat den Getöteten alleine gelassen», so der Anwalt. Mit seiner Anzeige will er in erster Linie Druck machen, dass auch für Allgemeinkliniken sowie Alten- und Pflegeheime klar ist, dass bei Fixierungen immer jemand aufpassen muss.Gibt es verbindliche Regeln zur Fixierung in Krankenhäusern?
Wann darf ein Mensch fixiert werden?
Welche Hürden gibt es?
Welche Sicherungsmaßnahmen gibt es?
Wie oft kommen Fixierungen vor?
Wie ist der Stand nach dem Pforzheimer Brand?
Bildnachweis: © picture alliance
Copyright 2023, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten
Der Notfall im Krankenhaus: Wann wird ein Patient fixiert?
Wenn ein Patient tobt, kann er ans Bett gefesselt werden. Das ist zumindest in der Psychiatrie so. Und sonst? Klar ist: Eine Fixierung ist das letzte Mittel.
Meistgelesene Artikel
- 29. Oktober 2025
Alle Erkelenzer St. Martinszüge 2025
Eine Übersicht über alle St. Martinsumzüge in den Erkelenzer Stadtteilen und umliegenden Dörfern (Stand: 29.10.25)
- 17. Oktober 2025
Freiheitsstatue wird online versteigert
Die in Erkelenz vielbeachtete Freiheitsstatue vom Konrad-Adenauer-Platz wird im Rahmen einer Online-Auktion versteigert.
- 4. November 2025
Tragischer Unfall nach Verabredung - Mann stirbt
Ein 82-Jähriger wird nach einem Restaurantbesuch von einem Auto erfasst und mitgeschleift. Der Fahrer und der Senior kannten sich. Die Polizei ermittelt gegen den Fahrer.
Neueste Artikel
- 17. November 2025
Ermittler rätseln über Istanbul-Fall - Vater in Klinik
Streetfood, Bäcker, Hotel? Nach dem Tod einer deutschen Frau und ihrer beiden Kinder in Istanbul verfolgt die Polizei mehrere Spuren. Was steckt hinter den mysteriösen Todesfällen?
- 16. November 2025
«Heute gewinnt Ecuador»: Chef der Los-Lobos-Bande gefasst
In Ecuador soll «Pipo» für 400 Morde verantwortlich sein. Der Bandenchef täuschte seinen Tod vor, setzte sich unter falscher Identität nach Spanien ab und baute dort einen Drogenhändlerring auf.
Weitere Artikel derselben Kategorie
- 17. November 2025
Ermittler rätseln über Istanbul-Fall - Vater in Klinik
Streetfood, Bäcker, Hotel? Nach dem Tod einer deutschen Frau und ihrer beiden Kinder in Istanbul verfolgt die Polizei mehrere Spuren. Was steckt hinter den mysteriösen Todesfällen?
- 16. November 2025
«Heute gewinnt Ecuador»: Chef der Los-Lobos-Bande gefasst
In Ecuador soll «Pipo» für 400 Morde verantwortlich sein. Der Bandenchef täuschte seinen Tod vor, setzte sich unter falscher Identität nach Spanien ab und baute dort einen Drogenhändlerring auf.






















